Margarete Gutöhrlein war eine tatkräftige Frau, die alle Höhen und Tiefen des Lebens kannte. Kinder lagen ihr besonders am Herzen. Ab 1956 verschrieb sie sich daher ganz der Idee, im baden-württembergischen Waldenburg ein Kinderdorf zu gründen. Nach zwei Weltkriegen und dem Erleben des menschenverachtenden Nationalsozialismus sollte das Kinderdorf "ein lebendiges Beispiel dafür sein, dass Menschen in Frieden miteinander leben können", unabhängig von der Herkunft ihrer Eltern oder ihrer Religionszugehörigkeit. Margarete Gutöhrlein, geboren 1883 in Berlin, als Tochter christlich-jüdischer Eltern, wusste aus eigener Erfahrung, wie wichtig das ist. Künstlerisch begabt, lernte sie Schauspiel bei Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin. Margarete liebte das Leben. Sie war humorvoll, großzügig und sehr kommunikativ. Zugleich war sie äußerst tatkräftig, wenn es um Menschen in Not ging. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete sie als examinierte Krankenschwester. Dass sie das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft erlebte, verdankte Margarete Gutöhrlein Menschen, die ihr halfen und sie versteckten.
Ihre Einsatzfreude und Energie waren 1945 ungebrochen: Da sie perfekt Englisch sprach, übernahm Margarete Gutöhrlein, im Auftrag der amerikanischen Militärregierung, die Leitung des Roten Kreuzes in Schwäbisch Hall. Unter Anderem sorgte sie für die Unterbringung und Pflege entlassener Soldaten und zahlreicher Flüchtlinge, zu denen neben Schwangeren, Kranken und Gebrechlichen auch Waisen zählten. Doch dann, im Jahr 1956 – Margarete Gutöhrlein war inzwischen 73 Jahre alt – verschrieb sie sich erneut mit Leib und Seele einer Idee, an deren Realisierung sie bis zu ihrem Tod arbeiten würde: der Gründung eines Kinderdorfes in Waldenburg. Sie hatte eine Vision. Das Kinderdorf sollte ein lebendiges Beispiel dafür sein – so schrieb sie – dass die Menschen in Frieden miteinander leben können, ob sie evangelisch oder katholisch sind und welcher Rasse sie auch angehören mögen (Brief vom 22. Mai 1958, Margarete Gutöhrlein an Albert Schweitzer). Ihr begonnenes Werk wurde nach ihrem Tod von ihrem Mann Georg Gutöhrlein weitergeführt und vollendet.
Ende 1959 wurde mit dem Bau der ersten drei Häuser des Kinderdorfes in Waldenburg begonnen. Margarete Gutöhrleins Vision hatte Gestalt angenommen: Seit September 1960 finden Kinder unterschiedlicher Konfessionen im Albert-Schweitzer-Kinderdorf eine neue Heimat.